Ok, das war jetzt provokant. Aber im Kastenwagen mit Wohnmobilausbau ist die Zuladung tatsächlich ziemlich begrenzt. Zwei Werte sind es, die einem das Reiseleben schwer machen. Das „zulässige Gesamtgewicht“ und die „Masse im fahrbereiten Zustand“.
Zulässiges Gesamtgewicht:
Das „zulässige Gesamtgewicht“ beträgt in der Regel beim Kastenwagen zwischen 3,3 bis 3,5 Tonnen. Die wenigsten Besitzer lasten das Fahrzeug auf, denn sonst gelten auf sämtlichen Straßen und Autobahnen durchweg 100 km/h als Höchstgeschwindigkeit. Man verliert also einen der entscheidenden Vorteile eines Katenwagen, die höhere Reisegeschwindigkeit. Meistens denken Käufer eines 40 H (also 4t) Kastenwagens daher eher über einen Ablastung nach, um das Fahrzeug schneller bewegen zu können. Wie schon im anderen Artikel der Serie geschrieben, ist nach unserer Auffassung der goldene Mittelweg ein Ducato Maxi (35 H).
Masse im fahrbereiten Zustand:
Der zweite Wert, der einem das Reiseleben nun schwer macht, ist die „Masse im fahrbereiten Zustand“. Hier gilt nun leider nicht, einmal vollpacken bis unters Dach und der damit persönlich definierte fahrbereite Zustand. Nein, hier gibt es eine klare Definition, die manchmal etwas an der Realität vorbei schliddert. Hier haben Deutschland und die europäische Union die „Masse im fahrbereiten Zustand“ mehr oder minder klar definiert (eigentlich mehr minder), in der DIN EN 1646-2 bzw. der Verordnung (EU) Nr. 1230/2012. Die Hersteller haben allerdings Spielraum und nutzen diesen auch aus. Die „Masse im fahrbereiten Zustand“ ist grundsätzlich definiert als Fahrzeug inklusive Grundausstattung:
- Leeres Fahrzeugs (inkl. Bordwerkzeug, Wagenheber, Ersatzrad)
- Ein Fahrer mit 75 kg Körpergewicht
- Dieseltank zu 90% gefüllt
- Flüssiggasflasche zu 100% gefüllt
- Frischwassertank zu 100% gefüllt
- Toiletten Spültank zu 100 % gefüllt
- Frischwassererhitzer zu 100% gefüllt
Zunächst klingt das von der Formulierung her gar nicht so übel. Doch nun kommen wir nun zum mehrstufigen Weichspüler, der es in sich hat:
Abweichung:
Zunächst einmal können die Hersteller diesen Wert dehnen. Heißt im Klartext, der Wert darf um 5% von der angegeben Masse abweichen. Als Hersteller wäre ich nun so clever und würde diesen wahrscheinlich für mich möglichst günstig wählen. Laut Gesetzgeber ist dies sogar zulässig, ohne dass sich daraus ein Sachmangel ergibt. An dieser Stelle können wir dann das erste Mal kurz laut AUTSCH brüllen. Denn wenn bei einem Fahrzeug bei einer einfach mal aus der Luft gegriffene Masse von 3000kg eine Abweichung von fünf Prozent vorliegt, so sind das mal eben zusätzliche 150 kg!!!! Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Pendel nach unten ausschlägt ist eher gering. Der Besitzer eines solchen Fahrzeuges hat dann bei einem „zulässigen Gesamtgewicht“ von 3,5t tatsächlich deutlich weniger Zuladung, als er bei Kauf erwartet hat. Nämlich statt 500 kg nur 350 kg! Ich will hier keinem Hersteller etwas unterstellen und die Wahrscheinlichkeit von einem 5% Ausschlag nach oben halte ich ebenfalls für gering, aber alleine durch diese Weichspültatsache hat der Kunde nur eine Möglichkeit seine Zuladung tatsächlich zu ermitteln: Auf die Waage fahren.
Frischwasser:
Kommen wir zu einer weiteren Einschränkung: Der Hersteller kann statt vollem Frischwassertank (Im Kastenwagen meist ~100 Liter) einen sogenannten Fahrbetrieb definieren. Die Hersteller von Kastenwagen sind sich in dem Punkt auch ziemlich einig und definieren den Wert am unteren Limit. Bedeutet, dass in die Rechnung der „Masse im fahrbereiten Zustand“ nunmehr nur noch 20 Liter Fahrbefüllung berücksichtigt sind. Wollen wir an dieser Stelle noch mal laut AUTSCH brüllen? Was bringt mir als Reisender ein leerer Frischwassertank, insbesondere wenn ich nicht auf Campingplätzen stehen will, sondern schön frei auf einem Stellplatz, Bauernhof, Strand oder am Strassenrand? Duschen könnte man bei 20 Litern nahezu vergessen und ziemlich schnell auch den Toilettengang. Hier schlindern wir also an der notwendigen Realität eines vollen Frischwassertanks vollends vorbei. Wir müssen also eigentlich diese Differenz von 80 kg (1 Liter = 1 kg) wieder drauf rechnen.
Gasflaschen:
Um Gewicht einzusparen kamen daher viele Kastenwagenfahrer auf die Idee, statt der Stahl-Flüssiggasflasche eine aus Aluminium zu verwenden. Auch dieser Punkt ist zwischenzeitlich von den Herstellern erkannt worden. In den Definitionen der „Masse im fahrbereiten Zustand“ steht inzwischen bei nahezu jedem Hersteller, dass bei der Berechnung eine Flasche aus Aluminium angenommen wurde. So reduzieren die Hersteller auf dem Papier die „Masse im fahrbereiten Zustand“. Wer hier nur auf die mögliche Zuladung schaut, wird gegebenfalls eine böse Überraschung erleben. Auch hier wäre wieder ein lautes AUTSCH angebracht, denn wieder verliert der geneigte Kastenwagenfahrer an Zuladung.
Worauf ich im Übrigen bis heute keine Antwort habe: Nahezu alle Fahrzeuge haben zwei Flaschen an Bord. Sind beide in die Berechnung eingeflossen? Keiner der angeschrieben Hersteller hat bis dato auf meine Anfrage reagiert. Schade. Ich vermute aber, das aufgrund der meist gewählten Formulierung „Flüssiggasflasche“ nur eine inklusive ist. Hier würde man dann bereits nochmals 18kg bei einer 11kg Flasche zum Gewicht hinzu rechnen müssen.
15.09.2016: Inzwischen habe ich eine Antwort von einem Hersteller: Es ist tatsächlich so, wie ich es angenommen habe. In der „Masse des fahrbereiten Zustands“ ist tatsächlich nur eine Flüssiggasflasche aus Aluminium berücksichtigt. Nehmt ihr tatsächlich zwei mit, so erhöht sich das Gewicht nochmals entsprechend.
Zubehör:
Kommen wir zum letzten Punkt: Zubehör! Hier wird es schmerzhaft, denn das Fahrzeug im fahrbereiten Zustand ist definiert als – tata, lauter Tusch – Fahrzeug mit serienmäßiger Grundausstattung! Alles was euer Leben komfortabler macht, ist also noch gar nicht berücksichtigt. Hier müsst ihr tatsächlich in euch gehen und überlegen, was brauche ich alles und was ist eigentlich Luxus. Je mehr Personen im Fahrzeug mitfahren, umso weniger Zubehör sollte drin sein. Also wieder ein lautes AUTSCH.
Mindestzuladung:
Ihr seht also, die Sache mit der Zuladung ist nicht so einfach. Alles Punkte, die man bei der Wahl des Fahrzeuges schon auch auf dem Schirm haben sollte.
Zur Beruhigung, ein gewisses Maß an Zuladung müsst ihr haben, auch wenn ihr das Fahrzeug schon ab Hersteller mit allerlei Zubehör voll packt. Ohne diese definierte Zuladung darf euch der Hersteller das Fahrzeug eigentlich sonst gar nicht verkaufen. Diese Zuladung definiert sich wie folgt:
Höchstzahl der im Fahrbetrieb zugelassenen Personen + Gesamtlänge des Fahrzeuges in Metern, multipliziert mit 10 = Mindestzulademöglichkeit in Kilogramm.
Bedeutet also bei einem familienfreundlichen Fahrzeug mit vier Sitz- / Schlafplätzen und 6 Meter Fahrzeuglänge: (4 Personen + 6 Meter) x 10 = 100kg Zuladung garantiert. Aber einmal ehrlich, wer käme damit schon aus?
Wie schwer ist mein Fahrzeug nun?
Hier noch etwas Positives, zumindest wenn ihr einen neuen Kastenwagen kauft. Seit dem 10.01.2014 muss euch der Hersteller ein sogenanntes CoC-Papier (Certificate of Conformity) aushändigen. In dieser Bescheinigung muss unter Punkt 13.2 das tatsächliche Fahrzeuggewicht angegeben sein. Also die Summe aus „Masse in fahrbereitem Zustand“ und der von euch mit erworbenen Zusatzausstattung. Dennoch sollte man sein neues Fahrzeug durchaus mal selber wiegen und diesen Wert überprüfen. Wir erinnern uns an Punkt 1!
Bußgelder
Ansonsten soll folgendes keine Aufforderung zur Überladung sein, aber was die Hersteller können, geht auch im täglichen Reisebetrieb: die oben genannte Toleranz von 5% gewährt der Gesetzgeber uns zumindest in Deutschland auch. Bedeutet also bei 3,5 t „zulässigen Gesamtgewichts“ einen theoretischen Wert von 175 kg. In Deutschland gelten folgende Regelsätze:
- Unter 5 Prozent: 0 Euro
- mehr als 5 Prozent: 10 Euro
- mehr als 10 Prozent: 30 Euro
- mehr als 15 Prozent: 35 Euro
- mehr als 20 Prozent: 50 Euro/3 Punkte
- mehr als 25 Prozent: 75 Euro/3 Punkte
- mehr als 30 Prozent: 125 Euro/3 Punkte
In anderen Ländern kann das allerdings schon anders aussehen und ab dem ersten Kilogramm Überladung richtig teuer werden. Hier einige Beispiele:
- Schweden ab 1 Prozent: ~220 Euro
- Schweiz ab 0,01 Prozent: ~76 Euro
- Großbritannien bis 10 Prozent: ~70 Euro
- Frankreich ab 135 Euro – 750 Euro
- Italien bei mehr als 5 Prozent: 39 bis 159 Euro
- Österreich bei mehr als 2 Prozent: 36 bis 2.180 Euro
Fazit:
Frech formuliert: Es stellt sich also die Frage, lasse ich die Frau zuhause, um ein paar zusätzliche Flaschen Wein einkaufen zu können oder damit mein Kasten Bier im Heckkofferraum Platz findet? Parke ich die Kinder bei Oma und Opa und genieße die Stille der Rücksitzbank? Oder ist es mir wichtig, einen tollen Familienurlaub zu verbringen? Ich denke entscheidend ist der letzte Punkt. Und einmal ehrlich, wir schleppen viel zu viel Ballast mit uns herum, lassen wir einfach möglichst viel daheim, dann klappt es auch mit der Zuladung.
Versteht mich nicht falsch. Der Artikel soll ein wenig sensibilisieren. Schaut genau hin, wieviel Zuladung möglich wäre / ist. Insbesondere wenn Ihr einen Neuwagen kaufen wollt. Lest genau nach, wie der Hersteller die „Masse im fahrbereiten Zustand“ definiert. Häufig ist das Gewicht des Zubehörs in der Zubehörliste angegeben. Macht für euch selber eine Rechnung auf: Addiert alle Gewichte zur „Masse im fahrbereiten Zustand“ hinzu, um euer Wunschfahrzeug zu definieren. Also bspw.:
Fahrzeug 2800 kg + Automatikgetriebe 2 kg + Klimaanlage 21 kg + Anhängerkupplung 18 kg + Markise 30 kg + … = Masse eures Wunschfahrzeuges.
Wiegt euch mal selber und packt das Gewicht noch oben drauf. Fragt euch, ob ihr wirklich so einen zweier Fahrradgepäckträger an der Hecktür braucht oder ähnlichen Schnickschnack. Wir sind mit vier Personen bspw. viel lieber zu Fuß unterwegs!
Klar kann man das Fahrzeug auflasten oder direkt mit 4t „zulässigem Gesamtgewicht“ ordern, doch will man diese Einschränkung im Fahrbetrieb wirklich? Bei uns lautet die Antwort ganz klar: NEIN. Wir rechnen lieber mit dem spitzen Bleistift um das Fahrzeug rein rechtlich nicht zu überladen. Ich werde euch die Tage einmal vier Fahrzeugtypen durchrechnen und das Ergebnis in einem ergänzenden Artikel packen. Das dürfte interessant werden.
Dieser Artikel hat mich gerade zudem inspiriert! Ich werde einmal meine Fachbücher zum Thema Fahrzeugbau wälzen und schauen, wie man beim Kastenwagenausbau Gewicht sparen könnte. Vielleicht gibt es dann auch einen Artikel dazu. Ich hätte da schon einige Ideen. Allerdings direkt vorweg, keine günstigen Ideen…
Update zur Flüssiggasflasche, es ist nur eine Flasche. Oben im Text ergänzt. Ich persönlich tendiere sowieso zu einer Dieselheizung + zweite Batterie und/oder Solar. Dann braucht man nur noch eine ganz kleine Flasche zum kochen…